Junge Schwalben müssen wie andere Zugvögel schnell wachsen und kräftig werden. Im Herbst führt der Flug der dann etwa 24 Gramm schweren Vögel bis nach Afrika.
Großharrie / 09.07.2010. „Pass mal auf, gleich kommen sie angerauscht“, freute sich Altbauer Gerd Sötje beim morgendlichen Besuch um 6.30 Uhr auf dem Hof an der Großharrieer Dorfstraße. Jeden Morgen freut sich der 69-jährige schon auf das turbulente Treiben, wenn er die Dielentür des Hofgebäudes öffnet. Wie kleine Düsenjäger starten dann aus den rund 60 Nestern auf der Diele die Schwalben zum morgendlichen Jagdflug über den Hof.
Erst spät am Abend schließt Sötje die große Diele wieder, damit die hier brütenden Schwalben ihre Ruhe vor nächtlichen Jägern haben.
Einen schöneren Start, als vom kleinen Lied der Schwalben begleitet den Tag zu beginnen, kann sich der Großharrieer Altbauer Gerd Sötje kaum vorstellen. Jeden Morgen um 6.30 Uhr öffnet er die Tür für die Schwalben, die auf der großen Diele brüten und ihre Jungen aufziehen.
Manchen Morgen schließt Gerd Sötje die Dielentür noch einmal hinter sich. Dann lauscht er eine kleine Weile dem munteren Lied zwitschernder Schnäbel, die ihn mit freudigem Leben begrüßen, bevor er die Tür für seine gefiederten Freunde öffnet. Nach dem gemeinsamen Frühstück mit Frau Hannelore (65) und Sohn Torben (30), der heute den Hof führt, wandert Altbauer Sötje gern noch einmal mit einem Eimer Wasser über den Hof. Am Rand der Wege gibt es genug Stellen, wo er damit für eine kleine Matschpfütze sorgen kann. „Auch eine Hand voll kurzes altes Heu gehört dazu“, sagt Sötje. Die Schwalben danken es dem Bauern. Eifrig sammeln sie hier kleine Schlammkugeln, einige Halme Heu und fliegen damit zu ihren Nestern. Mit den Schlammkugeln wird eifrig gebaut. Die kurzen Heuhalme sorgen für Stabilität in den Bauwerken. Nicht nur in der Diele und in den Ställen herrscht auf Hof Sötje reges Treiben.
Weit aufgerissene leuchtend gelbe Hälse weisen den Weg zur Fütterung der jungen Rauchschwalben, sobald die Jungen ihre zwitschernden Eltern im Anflug hören. Die Futterübergabe dauert häufig nur Sekundenbruchteile.
Während Diele und Stallgebäude von den Rauchschwalben bevölkert werden, sind es draußen unter den Gesimsen die Mehlschwalben, die ihre Nester in luftiger Höhe an Vorsprünge des alten Rotsteinbaus kleben. Als einstige Felsenbrüter brauchen die Mehlschwalben die kleinen Mauervorsprünge und Dachgesimse, unter denen sie ihre Jungen trocken und sicher aufziehen können, weiß Sötje.
Mehlschwalben sind etwas kleiner als Rauchschwalben. Der rote Kehlfleck fehlt bei ihnen. Das kunstvoll an Wände und Vorsprünge geklebte Nest hat häufig nur ein kleines Einflugloch. Sie sind ebenso eifrige Insektenjäger wie die Rauchschwalben.
Einzig die viele Schwalbenschiete dämpfe mitunter die Freude über die vielen hundert Schwalben auf dem Hof. Aber darüber habe sich bereits sein Großvater Johannes geärgert und auch sein Vater Walter durfte eifrig Schwalbenschiete kratzen und fegen. Die sei nämlich ganz schön echt, meinte Hofinhaber Torben Sötje, beim Besuch. Aber dafür gebe es auch wenig Fliegen auf dem Schweinemastbetrieb und einen Hochdruckreiniger. Der käme zwischendurch und besonders Anfang Oktober zum Herbstzug der Schwalben zum Einsatz, um Dielenboden und Wände wieder sauber zu bekommen. Rund 500 bis 600 Jungschwalben werden in guten Jahren in den insgesamt bis zu 100 Nestern auf dem Hof groß, erklärte Sötje. Viele Paare würden zwei oder gar drei Mal im Jahr brüten und Junge aufziehen. Die Menge Insekten, wie Fliegen, Mücken oder Blattläuse, die während der Aufzuchtzeit von April bis September vertilgt würden, sei kaum vorstellbar. Häufig kommen die fütternden Altvögel im Minutentakt zum Nest geflogen, um die vier bis fünf hungrigen Mäuler darin zu stopfen. Mit bis zu etwa 80 Stundenkilometer schnellen Flügen kommen die Schwalben über den Hof geschossen, um kurz vor den Nestern aufzusteilen, eine Eintagsfliege in einen weit aufgerissenen Schnabel zu stopfen und nach kaum einer Sekunde schon wieder zum nächsten Jagdflug zu starten. Es sei immer wieder eindrucksvoll, die schnellen Flieger zu beobachten, sagen die Sötjes.
Die Aufzucht der Jungen ist Schwerarbeit für die Altvögel. Rauchschwalben sind im Erwachsenengefieder gut an ihrem dunkelroten Kehlfleck zu erkennen.
Bis zum September oder Anfang Oktober dauert das Spektakel. Dann machen sich die Schwalben wieder auf den Weg in ihre afrikanischen Winterquartiere. Für Gerd Sötje heißt es dann warten. Warten bis zum nächsten Frühjahr. Dieses Jahr war es der 2. April, als die erste Schwalbe über Hof Sötje flog. Von der aufgeregten Freude ihres Mannes lässt sich Sötjes Frau Hannelore allerdings kaum aus der Ruhe bringen. „Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer“, ist die lakonische Antwort, die Altbauer Sötje nach dem Sichten der ersten Schwalbe bekommt. Am Ende gewinnt allerdings immer Gerd Sötje. Denn wie in den anderen Jahren kamen die Schwalben dann doch 14 Tage später aus Afrika zurück.