Müssen Schleswig-Holsteins Waldkindergärten um ihre Existenz bangen? Wenn es nach einer Stellungnahme aus der Unteren Naturschutzbehörde im Kreis Plön geht, soll aus dem Waldkindergarten in der Gemeinde Schillsdorf, Ortsteil Bokhorst jetzt ein Wiesenkindergarten werden.
Im Bokhorster Wald rumort es. Die Waldkindergartengruppe soll weichen. Zu laut, zu störend, heißt es. Am Donnerstagmorgen klingt 50 Meter vom Waldkindergartenplatz in Bokhorst der Gesang von Blaumeisen und Buchfinken durch das Geäst. Eine frische Rehfährte vom Morgen steht auf dem Weg. Aus einem kleinen Tümpel des angrenzenden Bruchwaldes erheben sich zwei Graugänse und fliegen schnatternd davon. Ein Stück weiter ist Kinderlachen zu hören. Darüber hämmert ein Buntspecht auf der Suche nach Nahrung auf alte Borke. Das Lachen der Kinder kommt vom Frühstücksplatz der Kinder. Im Hintergrund sind die Arbeitsgeräusche des alteingesessenen Bokhorster Landhandels zu hören. Das Knallen von Ladeklappen dringt ebenso tief in den Wald wie das Lachen der Kinder. Landwirte kommen, um Dünger zu holen oder Getreide zu bringen. Am Wochenende summen die Schienen der alten Eisenbahnstrecke und tragen das Fahrgeräusch der Draisinenfreunde in den Wald. Und auch der nahe angesiedelte Bokhorster Posaunenchor schmettert schon einmal seine Lieder in den frühen Abendstunden bei offenen Fenstern über das Land und in den Wald. Auf der angrenzenden Wiese zünden die Pfadfinder ihre Lagerfeuer, schlagen ihre Zelte auf und singen ihre Lieder. All das findet sich direkt am Bokhorster Wald. Nur die Waldgruppenkinder, die sollen jetzt weichen.
Seit August 2012 tummeln sich die bis zu 17 Kinder aus der Bokhorster Waldkindergartengruppe unter dem Dach der alten Buchen im Wald von Landwirt und Waldbesitzer Harry von Bülow. Träger des Kindergartens ist die Heilig-Geist Kirchengemeinde in Bokhorst. „Ich freue mich immer wieder, wie viel die Kinder über den Wald und die Umwelt wissen. Ich bin allerdings entsetzt, das und aus welchen Gründen dieser Waldkindergarten jetzt an dieser Stelle verboten werden soll“, meinte der Waldbesitzer jetzt beim Besuch der Gruppe. Hintergrund des angedrohten Verbots ist eine Stellungnahme der Unteren Naturschutzbehörde in Plön. Ohne einen Schutzraum darf auch ein Waldkindergarten nicht betrieben werden. Üblicherweise wurde dies bislang durch kleine Schutzhütten oder häufig durch einen Bauwagen als Schutzhütte gelöst. In Bokhorst erhielt die Waldgruppe einen Bauwagen. Für dies muss inzwischen eine Baugenehmigung eingeholt werden und zu einer solchen gehören Anhörungen öffentlicher Träger. Einer davon ist die Untere Naturschutzbehörde in Plön. Die allerdings stellt in einer Stellungnahme nicht nur die Aufstellung des Bauwagens, sondern gleich die gesamte Gruppe in dem Waldstück als fehl am Platz infrage. „Gegen das Aufstellen eines Aufenthaltswagens und die Nutzung der Fläche des Waldes als Kindergarten bestehen erhebliche Bedenken. Das Einvernehmen wird nicht erteilt.“ So heißt es in der Stellungnahme der Unteren Naturschutzbehörde des Kreises Plön mit Aktenzeichen, AZ: 3108 – 5/210/1690, vom 08. April 2015. Durch die Kindergartennutzung wurde die Gestalt und Nutzung einer Grundfläche, in diesem Fall einer Waldfläche, derart verändert, dass die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes erheblich beeinträchtigt wurde, heißt es im Fazit. Angeführt wird insbesondere der Lärm der Kinder, der lärmempfindliche Wildtiere und Vögel im weiten Umfeld verscheuche. Außerdem werde durch die intensive Nutzung durch die Kinder der Boden im Umfeld des Standortes verdichtet.
Gruppenleiterin Petra Rothenburg-Bahr hat inzwischen sogar eine Zusatzausbildung zur Waldpädagogin und zur Natur-Spielpädagogin aufgenommen, um dem Thema Wald in mehreren Richtungen gerecht zu werden. Ökologische Zusammenhänge, Flora und Fauna unserer Wälder, Forstarbeit und der Umgang mit einer lebendigen Umwelt stellt besondere Herausforderungen dar, sagt Rothenburg-Bahr. Das Spielzeug für einen Waldkindergarten findet sich sozusagen mitten im Klassenzimmer oder wächst als Unterrichtsmaterial gleich nebenan, sagt die engagierte Betreuerin. Einen Umzug auf die etwa 200 Meter entfernte Kirchenwiese würde dem besonderen Rahmen, wie ihn der Wald als Lehr- und Erlebnisraum bietet, nicht mehr gerecht, sagen die Betereuerinnen. Verwundert reagierten auch Bokhorsts neue Pastorin Ulrike Witte und Herbert Beyring aus dem Kirchenvorstand. „Es wäre zumindest nett gewesen, wenn die zuständige Sachbearbeiterin zumindest das Gespräch mit uns gesucht hätte“, lautete die Stellungnahme des Trägers.
Harry von Bülow will den Argumenten aus der Stellungnahme nicht folgen. „Bauvorhaben“ der Kinder heiße es da unter anderem. „Was wohl Kinder für „Bauvorhaben“ haben können und wie viel Schaden 34 Kinderfüße wohl in seinem Wald anrichten können? „, fragte sich der Waldbesitzer. „Ich sehe es als meinen Beitrag zum Naturschutz an, dass gerade Kinder hier zu einem sorgsamen Umgang mit der Natur erzogen werden“, meinte von Bülow. Eine erhebliche Beeinträchtigung des Naturhaushaltes sieht von Bülow in seinem Wald durch den Betrieb der Waldgruppe nicht. Außerdem sei unabhängig von einer Genehmigung des Schutzwagens die Stellungnahme mit ihrem Fazit der Versagung als ausgesprochen grenzwertiger Eingriff in das Eigentum zu betrachten.
Wie die Leiterin der Unteren Naturschutzbehörde in Plön mitteilte, laufe das Verfahren im Bauamt noch. Einen Vororttermin mit den Betroffenen wollte die Amtsleiterin nicht ausschließen.
Käme die Plöner Rechtssicht der Beeinträchtigung des Naturhaushaltes zum Tragen, würde das Waldkindergärten insgesamt infrage stellen und damit ein landesweites Problem aufwerfen. Die Diskussion über Bauwagen oder Schutzhütten für Waldkindergärten ist indessen in den zuständigen Ministerien nicht neu. Letztlich sei hier das Innenministerium gefragt, hieß es aus dem Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, denn: Waldkindergärten seien durchaus aus pädagogischen Gründen gewollt und befürwortet.
Wie es auf Nachfrage in einer Stellungnahme aus dem Kreis Plön hieß, sehe die Kreisverwaltung durchaus noch Gesprächs- und Erörterungsbedarf. Deswegen soll es am 20. Mai einen Ortstermin geben bevor weiter entschieden wird, so Pressesprecher Björn Demmin.