Nicht nur Schleswig-Holsteins Landwirte wissen, dass Landwirt kein „Traumberuf“ ist, sondern harte Arbeit hinter manchem verträumten Bild vom Bauer sein steht. Trotzdem leben sie ihren eigenen Traum von Freiheit und Selbstständigkeit zwischen Scholle, Knick, sich wandelnder wirtschaftlicher Rahmenbedingungen und Bürokratie. „Landwirtschaft sei eben doch ein Beruf für „Träumer und Idealisten“, meinen einige der Aktiven im Land. Auch wenn diese dabei mit den Füßen fest auf dem Boden der Realität stehen. Im ständigen Kampf um Preise für Milch, Weizen, Futter- und Dünger, richtet so mancher seinen Blick über die Grenzen Deutschlands hinaus. Wie wird in Kanada, Südamerika oder in Australien gearbeitet? Gibt es Chancen und wie können diese dann genutzt werden? Einige leben ihren Traum im Ausland und haben es auch geschafft. In Namibia haben sich Renate und Volker Thullesen ihren Traum von einer eigenen Farm verwirklicht. „Wer kommt, muss Arbeiten“, scherzte Volker Thullesen in einem Vortrag über Namibia und Okapaue.
Okapaue, der Name stammt von den einheimischen Herreros und bedeutet weiße Klippe. 1968 besuchten der Handwerksmeister und seine Frau zum ersten Mal Namibia. 1925 zog es bereits den Großvater von Renate Thullesen, Herman Petersen, für sieben Jahre nach Namibia. Vier Jahre schuftete Petersen auf den Diamantfeldern Kollmannskuppe. Drei weitere Jahre als Schmied folgten, bevor es den Großvater zurück nach Schleswig-Holstein zog, um hier einen Bauernhof in Schillsdorf zu kaufen. „Namibia hat uns nicht mehr losgelassen“, berichteten Renate und Volker Thullesen über die erste Reise und die Zeit danach. 1981 kaufte das Paar die rund 140 Kilometer von Winhoek entfernt liegende Farm. „Eben einmal zum Nachbarn gehen, ist etwas anders als zu Hause“, lacht Thullesen im Gespräch. Okapaue hat 5000 Hektar. Über zehn Kilometer sind es, bevor das Haus des nächsten Nachbarn in Sicht kommt. Nur zwei Millionen Menschen leben in Namibia, das etwa doppelt so groß ist wie Deutschland. Seit der Gründung der Republik Namibia im Jahr 1990 herrschen stabile demokratische Strukturen. In Namibia ist noch keine Farm enteignet worden, sagt Thullesen. Unzählige Container mit Material und Maschinen wurden seit 1990 nach Namibia verschifft, um die Farm aufzubauen. Vieles sei eben nicht im Baumarkt um die Ecke zu erhalten. Neun Menschen arbeiten heute auf der Farm. Die maroden Behausungen der Mitarbeiter und deren Familien mussten soliden Häusern nach deutscher Handwerksmanier weichen. „Bauen in Namibia macht Spaß“, sagt Thullesen. Eine Bauaufsicht nach deutschem Vorbild gibt es nicht. Trotzdem wird natürlich solide gebaut. Immerhin leben die Menschen das ganze Jahr auf der Farm und bis zu 800 Rinder tummeln sich auf den Weideflächen. Hinzu kommen etwa 1000 große Wildtiere, die vom Warzenschwein, bis hin zu Springböcken, Oryxantilopen oder großen Kudus, die fast Pferdegröße erreichen, das Land der Farm bevölkern. Wasser ist der Lebensquell für die Farmen. In großen Rückhaltebecken wird das Leben spendende Nass in der Regenzeit aufgefangen. Brunnen bohren ist Glücksache, sagt Thullesen. Gibt es an einer Stelle in 30 oder 40 Meter Tiefe genug Wasser, das sich in einer tiefen Granitmulde gesammelt hat, bleibt es an anderen Stellen auch nach über 100 Meter Tiefe staubtrocken. In etwa ein bis zwei von 10 Jahren herrscht Trockenheit. Dabei hatte das Neumünsteraner Paar Glück. In Okapaue fällt in der Regel genug Regen. Von Oktober bis Dezember herrscht die Kleine, von Januar bis März die große Regenzeit. 360 Millimeter Regen fielen allein im Februar und füllten die Wasserspeicher. Afrikaans, Englisch und Deutsch bestimmen das Sprachbild, das Gäste Namibias erwartet, die von Deutschland aus den rund neuneinhalb Stunden langen Flug in Namibias Hauptstadt Windhoek hinter sich gebracht haben.
Die gute Seele von Okapaue heißt „Maria“ und ist eine Owambo Frau, die nicht nur Bindeglied und wertvoller Ansprechpartner für die tausend Fragen im fremden Land ist, sondern auch noch eine Jagdführerlizenz ihr Eigen nennt und sieben Sprachen spricht. Hinter dem Erfolg der Farm steht jedoch nicht nur das Verständnis für die Menschen vor Ort. 32 Kilometer Zaun mit acht Drähten umgeben die 5000 Hektar Farm. 150 Kilometer Wege und Zaunränder wollen von Busch und auf den Freiflächen einwandernden Kakteen freigehalten werden. 30 Hektargroß sind die Weidepats innerhalb des Wegenetzes der Farm auf der eine „Ochsenwirtschaft“ betrieben wird, wie Thullesen erklärte. Aus dem Norden Namibias, wo noch fetterer Boden die Mutterkuhhaltung begünstigt, stammen die Absetzer die die Farm bevölkern. Ein Jahr lang weiden diese auf Okapaue, bevor sie zur Endmast in den Süden Namibias abgegeben werden. Auf der Thullesenfarm wird vorgesorgt. Auch wenn die Rinder in der Regel selbst in den trockenen Gräsern reichlich Nährstoffe finden und kein Zusatzfutter außer Mineralsalzsteinen brauchen. Ein Heuvorrat kann nicht schaden, meint Thullesen. Auch das geht anders als in Schleswig-Holstein: Am Morgen mähen, abends pressen. Die Sonne Namibias macht es möglich. Neben der Rinderbewirtschaftung gibt es auf Okapaue einen sanften Jagdtourismus, über den die großen Wildbestände als natürliche Ressource genutzt werden.
Neben Frischfleisch wird Geräuchertes und Wurst hergestellt. Freies Wohnen und eine Versorgung mit Fleisch gehören zum Lohn der Menschen auf der Farm dazu. Heute ist es nicht mehr ohne weiteres möglich, Farmland zu kaufen. Mit einem namibischen Partner ist es jedoch machbar. Namibias Regierung hat das Vorkaufsrecht für Farmland und möchte gern junge Familien aus dem Land als Farmer ansiedeln. Das dies nicht immer gelingt, liegt daran, dass es auch in Namibia die jungen Leute in die Städte zieht. „Das Land kann so hart wie trockener Kameldung sein“, schmunzeln Renate und Volker Thullesen. Trotzdem müsse man es einfach lieben.